Wilhelmsbüro – Session #3
Ulmer Nest

JAHR: 2018
LEISTUNGEN: Ideation, Konzeption &
Prototyping

PARTNER: Team Wilhelmsbüro
LINK: facebook.com/wilhelmsbuero/
FOTO: eignerframes

In der dritten der fünf Sessions des Wilhelmsbüros wurden wir im Auftrag der Abteilung für Soziales der Stadt Ulm mit folgender Aufgabe herausgefordert: 

„Es mangelt in Ulm an Maßnahmen zum Erfrierungsschutz für wohnungslose Menschen im Winter, die keinen festen Schlafplatz haben oder im Freien, in Tiefgaragen, Abbruchhäusern o.ä. nächtigen.“

Holger Hördt, Stadt Ulm, Abteilung Soziales

Dieses Thema war eine besondere Herausforderung, da im Team kaum Hintergrundwissen dazu existierte und wir uns deswegen zuerst einmal sehr intensiv mit der Materie auseinandersetzen mussten. Hierfür haben wir mit allen direkten und indirekten Anlaufstellen und Einrichtungen für wohnungslose Menschen in Ulm Kontakt aufgenommen und in Gesprächen viel über das Thema Wohnungslosigkeit, die übergeordneten Zusammenhänge, die allgemeinen Probleme sowie die bisherigen Maßnahmen zum Erfrierungsschutz wohnungsloser Menschen erfahren.

Um an dieser Stelle abzukürzen kann man sagen, dass auf dem Gebiet bereits sehr viel Gutes für die Bedürftigen getan wird. Problematisch wird es allerdings, sobald Bedürftige keine Möglichkeit haben, die bestehenden Maßnahmen für sich zu nutzen. Hierfür gibt es viele Gründe, wie in den folgende Beispielen dargelegt ist:

  • Um im ortsansässigen Übernachtungsheim nächtigen zu dürfen, ist eine Mindestaufenthaltsdauer von 90 Tagen in Ulm nachzuweisen. Reisende wohnungslose Menschen fallen dementsprechend durch das Raster und bekommen keinen Zutritt.
  • Menschen, die bereits negativ im Übernachtungsheim aufgefallen sind, bekanntermaßen gewaltbereit sind, unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmittel stehen, kann der Zutritt ebenfalls (zum Schutz der anderen Bedürftigen und des Personals) verweigert werden.
  • Haustiere sind im Übernachtungsheim ebenfalls nicht gestattet. Allerdings besteht oft eine sehr enge Bindung zwischen wohnungslosen Menschen und ihren treuen vierbeinigen Begleitern. Tiere können zwar über Nacht im Tierheim unterbracht werden, allerdings stellt für viele Betroffene diese – wenn auch kurzzeitige – Trennung keine wirkliche Option dar.
  • Viele wohnungslose Menschen leiden unter Krankheiten, die sie zu sozialen Einzelgängern gemacht haben. Einige könnten vermutlich in einer der existierenden Einrichtungen unterkommen, wollen bzw. können dieses Angebot aber nicht wahrnehmen.

Die aus allen zusammengetragenen Informationen resultierenden Anforderungen an das „Ulmer Nest“ sind im Folgenden aufgeführt:

  • Niederschwelligkeit: Das Ulmer Nest soll sehr einfach und bedingungslos verwendet werden können.
  • Das Ulmer Nest soll ausreichend Schutz & Privatsphäre bieten.
  • Das Ulmer Nest soll Berührungspunkte zwischen Betroffenen und Sozialarbeitern schaffen und die „aufsuchende Arbeit“ von z.B. der Caritas vereinfachen.
  • Aufmerksamkeit und Partizipation: Das Ulmer Nest soll einen lange runtergespielten oder verdrängten gesellschaftlichen Missstand sichtbar machen und zur öffentlichen Diskussion anregen.

In dieser Session wurde der Grundstein für das Ulmer Nest gelegt, das wir im Team weiterentwickelt haben. In den Wintern von 2019 – 2020 und 2020 – 2021 fanden die ersten beiden Testphasen in Ulm mit zwei Prototypen statt.